Filmkritik: „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ (2019)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: J. J. Abrams
Mit: Daisy Ridley, John Boyega, Oscar Isaac u.a.
Land: USA
Laufzeit: ca. 142 Minuten
FSK: ab 12
Genre: Science Fiction / Fantasy / Action
Tags: Star Wars | Jedi | Skywalker | Macht | Dunkle Seite | Imperium

Inhalt: Die sogenannte Neue Ordnung ist noch immer nicht besiegt. Eher ist das Gegenteil der Fall, hat der Widerstand unter Führung von Generalin Leia (Carrie Fisher) mehr zu kämpfen als jemals zuvor – erst Recht, da der skrupellose Anführer Kylo Ren (Adam Driver) einen ungeahnten Verbündeten hinzugewonnen zu haben scheint. Alle Hoffnungen ruhen nun auf Rey (Daisy Ridley), der offenbar letzten Jedi. Gemeinsam mit ihren Freunden Finn (John Boyega), Poe (Oscar Isaac), Chewbacca (Joonas Suotamo) und C-3PO (Anthony Daniels) macht sie sich auch die Suche nach einem geheimnisvollen Artefakt…

Kritik: Mit „Der Aufstieg Skywalkers“ endet die neueste (Haupt-)Trilogie aus dem berühmt-berüchtigten STAR WARS-Franchise. Eine Trilogie, die im allgemeinen für höchst gemischte Gefühle in den jeweiligen Fangemeinden gesorgt hat – und das nicht nur, da sich mittlerweile Disney für den Aufstieg oder Fall des einst von Altmeister George Lucas ins Leben gerufenen Franchise verantwortlich zeichnet. Gründe für den relativen Zwiespalt dürften sich schließlich auch in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der Trilogie (mit „Das Erwachen der Macht“ als im Grunde lediglich die Original-Trilogie kopierendem Auftakt, siehe Rezension) sowie allerlei; man nenne sie moderne Entscheidungen hinsichtlich diverser Charaktere und Stilmittel finden. Im Falle von „Der Aufstieg Skywalkers“ – beziehungsweise grundsätzlich der gesamten neuen Trilogie – kommt es aber ohnehin ganz auf die jeweiligen persönlichen Erwartungen an.

Anders gesagt: erwartet man hier ein STAR WARS-Erlebnis der guten alten Schule – oder eines, welches auch nur ansatzweise mit dem einzigartigen Flair der drei ursprünglichen Teile vergleichbar ist – so wird man vermutlich eher enttäuscht. Andererseits, und im Vergleich mit der insgesamt sicher noch etwas unrühmlicheren Trilogie der Jahre 1999 bis 2005 (mit Episode 1 als kitschig-quietschbunten Negativhöhepunkt, siehe Rezension) schneiden die neuen Filme eben doch deutlich besser respektive angenehmer ab. Und das in mehrerlei Hinsicht: von den anberaumten handwerklich-technischen Elementen über die etablierte Atmosphäre bis hin zu deutlichen Reminiszenzen an die Original-Trilogie (unter anderem durch die durchaus angenehme Rückkehr diverser wichtiger Charaktere) stecken in der insgesamt überraschend düster gehaltenen Disney-Trilogie schon deutlich mehr „echte“ STAR WARS-Anteile als in den meisten anderen Franchise-bezogenen Werken.

Unter dem Gesichtspunkt und der Erwartungshaltung, möglichst viel neues und dabei in jeder Hinsicht erträgliches (selbst das ist heutzutage gar nicht mehr so einfach) STAR WARS-Material serviert zu bekommen, hat sich die neue Trilogie also durchaus einen Platz in den Hitlisten der Fans verdient. Erträglich deshalb, da man sich einerseits nicht zu weit vom Original entfernt, eine grundsätzlich spannende Weiterführung der ursprünglichen Geschichte inszeniert, auch einige durchaus passende neue Elemente vorsieht – und andererseits, da sich die inhaltlichen und stilistischen Fehlgriffe vor allem im Sinne eines eventuell zu modernen Films in Grenzen halten. Sicherlich, dezent stören können sie trotzdem – doch insgesamt betrachtet, und gerade nach dem eher enttäuschenden Auftakt der neuen Trilogie wissen sowohl „Die letzten Jedi“ und „Der Aufstieg Skywalkers“ einiges an hoch potentem Futter für STAR WARS-Fans zu liefern. OB sich diese dann als eingefleischt bezeichnen würden oder im besten Fall bereits seit der ursprünglichen Ausstrahlung der Originale dabei sind – die für immer relativ unantastbar bleiben werden und sollten – das spielt im Grunde gar keine allzu große Rolle.

So kann „Der Aufstieg Skywalkers“ grundsätzlich jedem Fan oder Nicht-Fan empfohlen werden, der nicht zu viel erwartet, eher wenig Lust auf die Charakter-bezogenen Neben-Ableger der Reihe hat – aber ebenfalls nicht auf ein zünftiges Sternen-Abenteuer verzichten kann oder will. Im Vordergrund – und unter Einbeziehung der im besten Fall etwas heruntergeschraubten Ansprüche – stehen dabei klar all jene STAR WARS-Elemente, die man kennt und liebt – und die nicht ohne Grund ikonisch geworden sind. Seien es große und von vielen geschätzte Charaktere wie Chewbacca, Luke Skywalker, Han Solo, Lando Calrissian, Leia Organa oder die Droiden R2D2 und C3PO; die verschiedenen Welten, die verschiedenen Raumschiffe und Gleiter (inklusive des Millenium-Falcons), die markanten Bösewichte – „Der Aufstieg Skywalkers“ hat viel von jenem zu bieten, was schon früher beliebt war beziehungsweise die Reihe eigentlich erst groß gemacht hat. Sicher, allzu große Überraschungseffekte bleiben in Anbetracht des Rezepts „weniger neues, mehr vom altbewährten“ aus – doch das macht nichts, bietet der Film auch so genügend Anhaltspunkte um nicht an Spannung zu verlieren.

Der wichtigste Punkt war uns ist aber der, dass man diese altbewährten Elemente tatsächlich sinnvoll und auf eine durchaus reizvolle Art und Weise in einen neuen Film portiert hat – und sie dabei niemals der Lächerlichkeit preisgibt oder dem Andenken an die alten Filme anderweitig Schaden zufügt. Eben so, wie es bei vielen aktuellen Remakes, Reboots oder Serien-Ablegern heutzutage leider gerne mal der Fall sein kann. So lassen sich auch die durchaus vorhanden Kritikpunkte an „Der Aufstieg Skywalkers“ verschmerzen; erneut unter der Beachtung des generell etwas heruntergeschraubten Anspruchs versteht sich. Das Erzähltempo vor allem in der ersten Hälfte des Films beispielsweise wirkt schon etwas holprig respektive teils gehetzt, das Hinarbeiten auf den eigentlichen Höhepunkt (das zu erwartende große Finale) überzeugt nicht immer bzw. bekommt es einige Dämpfer ab. Auch die teils eingeschobene Lockerheit bzw. die hie und anberaumten witzigen Stellen bedienen zwar den typischen STAR WARS-Humor, fühlen sich aber einstweilen etwas (zu) gezwungen an. Die handwerklich-technischen Aspekte wissen größtenteils zu überzeugen – vor allem im Hinblick auf die Kostüme, die (kleineren) Effekte, die Innenansichten der Raumschiffe und -Gleiter sowie glücklicherweise auch den Soundtrack. Im Großen finden sich dagegen – und warum auch immer – leider immer wieder einige eher störende Elemente, die man anders oder besser hätte umsetzen müssen. Die arg künstlichen Ansichten des zerstörten Todessterns etwa markieren hier ein Beispiel – oder der Haupt-Stützpunkt der Sith inklusive Publikum (eine viel zu vereinfachte, extrem matschig wirkende Darstellung) oder die große und eher diffuse (Weltraum-)Schlacht gegen Ende.

Was bleibt, ist eigentlich nur noch eine Kleinigkeit – die Charaktere, und damit verbunden sicherlich auch die Qualität des Schauspiels. Fest steht: man kann die in „Der Aufstieg Skywalkers“ vorgestellten bzw. handelnden Personen (wenn man mal die bereits bekannten und damit altbewährten außen vor lässt) eigentlich nur lieben oder hassen – dazwischen gibt es nicht viel Platz. Immerhin, die ein oder andere Überraschung gibt es – wobei sich auch hier eher wenig wirklich konstruiert anfühlt; mit Ausnahme des im Sinne der „dunklen Seite“ doch etwas zu mäandernden Gebarens von Kylo Ren. Alles in allem handelt es sich um einen soliden STAR WARS-Film – und einen würdigen Abschluss der neuen Trilogie.


„Ein gelungener Abschluss einer insgesamt nicht perfekten, aber doch höchst soliden Trilogie“.


Filmkritik: „Poesía Sin Fin Aka Endless Poetry“ (2016)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: Alejandro Jodorowsky
Mit: Adan Jodorowsky, Jeremias Herskovits, Brontis Jodorowsky u.a.
Land: Frankreich / Chile
Laufzeit: ca. 128 Minuten
FSK: nicht geprüft
Genre: Drama
Tags: Poesie | Kunst | Freigeist | Chile | Ibanez

Von Künsten und Künstlern, die noch lange nachhallen werden.

Inhalt: Nachdem er und seine Eltern dem kleinen Hafenstädtchen Tocopilla den Rücken gekehrt und in Santiago de Chile angekommen sind, begeistert sich der junge Alejandro Jodorowsky (Jeremias Herskovits) mehr und mehr für die Kunst der Poesie. Und das sehr zum Missfallen seines strengen Vaters (Brontis Jodorowsky), wie sich herausstellt – der seinen Sohn am liebsten in einer ehrbaren Position als Arzt sehen möchte. Seine Mutter (Pamela Flores) hält sich dagegen weitestgehend aus der Diskussion heraus – sodass Alejandro sichtlich froh ist neue Freunde zu finden, die ihn auf seinem Weg hin zu einem anerkannten Künstler unterstützen. Als bereits einige Jahre älterer junger Mann (Adan Jodorowsky) lernt er schließlich Enrique Lihn (Leandro Taub:) kennen, so gesehen ein wahrer Freund im Geiste – mit dem er viele Höhen und Tiefen des Lebens gemeinsam erlebt und in Form seiner Kunst verarbeitet. Am Ende aber steht wie so oft die Frage: für welchen Lebensweg wird sich der junge Künstler entscheiden ?

Kritik: Man erinnert sich… 2013, also noch vor gar nicht allzu langer Zeit zelebrierte das mittlerweile in vielerlei Hinsicht legendäre Multitalent Alejandro Jodorowsky (El Topo, Montana Sacra – Der heilige Berg) sein überraschendes filmisches Comeback. Tatsächlich aber war und ist LA DANZA DE REALIDAD (siehe Review) nur der erste Teil einer groß angelegten filmischen Autobiografie; oder eher: ein wichtiges Teilstück auf dem Weg hin zu einem neuen Gesamtkunstwerk – mit dem man so nicht unbedingt hätte rechnen können. Ein Gesamtkunstwerk, welches Fans und Freunde des chilenischen Poeten nur allzu gerne annehmen – und an welches nun mit dem Nachfolger POESIA SIN FIN angeknüpft wird. In inhaltlicher Hinsicht (und das sogar fließend), aber selbstverständlich auch in Bezug auf den ureigenen Stil des Altmeisters. Jodorowksy, der mit diesem Werk nicht weniger versucht als sein gesamtes bisheriges (Künstler-)Leben aufzuarbeiten und für die Nachwelt festzuhalten, geht dabei grundsätzlich exakt so vor wie man es von ihm gewohnt ist – oder auch, wie man es von ihm erwarten würde. Damit ist POESIA SIN FIN – wie auch ein Großteil seiner bisherigen Filme – als Werk zu bezeichnen, das auf vielerlei Ebenen stattfindet und funktioniert.

Vor allem aber ist es natürlich das klassische Kino, das heißt der klassische Film dem er mit POESIA SIN FIN einen Tribut zollt. Ein Kino, in dem es vorrangig nicht um plumpe oder gar massentaugliche Unterhaltung geht, gehen sollte – sondern um eine Kunstform, die durchaus auch von einem gewissen Protest begleitet werden kann und darauf ausgelegt ist, eine emotionale Reaktion auf Seiten des Zuschauers zu generieren. Somit erscheint es geradezu passend, dass auch ganz andere Kunstformen einen Einzug in POESIA SIN FIN feiern respektive von Jodorowsky auf ein Podest gestellt werden – auf dass sich die (imaginären) Welten des Kinos, des Zirkus, des Theaters und anderer freier Formen künstlerischer Mitteilungsformen vereinen; und es im besten Fall ermöglichen einen Diskurs über die ganz großen, alles umgebenden Fragen des Lebens zu führen.

In jedem Fall hat Jodorowksy, der sich auch in POESIA SIN FIN einer mitunter gewaltigen Bildsprache bedient; dabei nichts von seinem ursprünglichen Handwerk verlernt. Ganz im Gegenteil – auch heute noch schafft er es, und das quasi nebenbei; aus seinen Filmen weit mehr zu machen als eine bloße Aneinanderreihung verschiedener Einzelszenen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger LA DANZA DE LA REALIDAD, der grob betrachtet eher die frühe Kindheit Jodorowsky’s behandelt; steht dieses Mal klar seine endgültige (Ver-)Wandlung hin zu einem Lebenskünstler im Fokus – der aufgrund seiner persönlichen Entscheidungen in einen starken Konflikt sowohl mit dem Elternhaus als auch der faschistischen Gesellschaft gerät. Wie, ja wie sollte man sein Leben glücklich leben können; wenn man ein Freigeist oder auch Künstler ist – während sich die Menschen um einen herum offenbar nur allzu gerne in ein diktatorisches Korsett zwängen lassen, um daraufhin jeden der von der neu festgesetzten Norm abweicht zu verfolgen ? Fragen wie diese ziehen sich in der ein oder anderen Form wie ein roter Faden durch den Film, der dabei natürlich auch nicht vor einigen; man nenne sie gewöhnungsbedürftigen Szenen Halt macht – in denen es vor allem um Nacktheit, Sex oder Gewalt geht.

Im Gegensatz zu den früheren Filmen Jodorowsky’s aber kann man hier relativ getrost von einer eher harmlosen Ausführung derselben sprechen – zumindest, wenn man nicht ganz so zart besaitet ist. Und auch die Angst oder Befürchtung mancher, der Film könnte allzu surrealistische Züge annehmen ist unbegründet – tatsächlich handelt es sich sogar um einen Film, dem man auch im herkömmlichen Sinne recht gut folgen kann. Mit dem Unterschied, dass sich einzelne Szenen oder Set-Designs (wie etwa alles im Zusammenhang mit der Bar) unweigerlich in das Gedächtnis des Zuschauers einprägen werden. Wie selbstverständlich auch etwaige kleinere Seltsamkeiten, etwa in Form der schwarz verhüllten Figuren – welche den Charakteren stets einige Dinge anreichen und somit als gesichtslose Diener fungieren. Wie schon zuvor ist an POESIA SIN FIN dabei vor allem eines markant: das schier grandiose Schauspiel, welches dem ursprünglichen Begriff dieser Kunstform – und das sicherlich zur Freude Jodorowsky’s – allemal gerecht wird. Allein die Liste der Darsteller zu lesen sollte bei manchem für ein angenehmes Kribbeln sorgen; schließlich sind es erneut die Familienmitglieder (und Freunde) aus dem Clan der Jodorowskys, die hier beherzt selbst mit anpacken – und dabei gar kultverdächtige Darbietungen abliefern. Aber auch das ist so gesehen nichts neues, sondern eher Tradition im Hause Jodorowsky – eine Tradition, die zeitlos ist und die man nur begrüßen kann.

Ein klein wenig Kritik muss sich POESIA SIN FIN dann aber doch gefallen lassen. Dabei sind es nicht unbedingt die bei einer Spielzeit von immerhin rund 130 Minuten auftretenden Längen, die sich als störend erweisen – sondern vielmehr ein; man nenne es fehlender Funke in der Gesamtwirkung. Der direkte Vorgänger LA DANZA DE LA REALIDAD wirkte insgesamt eben doch noch etwas runder, universeller, poetischer, majestätischer – was eventuell auch in der Tatsache begründet liegen könnte, dass Jodorowsky die vorherige Schaffenspause (zwischen The Rainbow Thief und LA DANZA DE LA REALIDAD liegen immerhin 23 Jahre) gut genutzt respektive für eine sinnvolle Entladung seiner gewissermaßen angesparten Kreativität gesorgt hat. POESIA SIN FIN dagegen wirkt dagegen – und im Vergleich – zumindest ein klein wenig vorhersehbarer, und wenn man so will auch konstruierter. Sicher, verflogen ist die Magie noch längst nicht – sodass es umso spannender wird, wenn irgendwann einmal der dritte Teil der Biografie in Filmform verwirklicht werden wird. Für einen Status als zeitloses Meisterwerk reicht es – in der einzeln betrachteten Form – aber leider nicht ganz. Dies wird sich vermutlich ändern, sobald die Trilogie als Ganzes erhältlich – und auch als Ganzes bewertbar – ist.


Bilder / Promofotos / Screenshots: © Pascale Montandon-Jodorowsky

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„Der Vorgänger war besser, aber dennoch – auch Poesia Sin Fin ist weniger ein Film als ein ganzheitliches Erlebnis.“

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Filmkritik: „Bring Mich Nach Hause“ (2021)

Filmtyp: Spielfilm / Fernsehproduktion
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: Christiane Balthasar
Mit: Silke Bodenbender, Anneke Kim Sarnau, Hedi Kriegeskotte u.a.
Land: Deutschland
Laufzeit: ca. 88 Minuten
FSK: nicht geprüft
Genre: Drama
Tags: Nahtod | Koma | Wachkoma | Sterbehilfe | Patientenwille

Gefangen zwischen Leben und Tod.

Inhalt: Nachdem Martina (Hedi Kriegeskotte) plötzlich in der Küche ohnmächtig wird, fällt sie in ein tiefes Koma. Ihre Tochter Ulrike (Silke Bodenbender) ist verzweifelt: was könnte nur der Grund für ihren Zustand sein, und vor allem: wird sie jemals wieder aufwachen ? Unglücklicherweise bessert sich der Zustand von Martina nicht, auch nachdem sich vermeintliche Erfolge zeigen – fortan befindet sie sich im Zustand des Wachkomas. Die Ärzte geben zu Bedenken, dass die Schäden am Gehirn der Patientin irreparabel seien – und man sich Gedanken machen müsste, wie man weiter fortfahren würde. Doch eine Patientenverfügung hat Martina nie aufgesetzt, und vor allem ihre zweite Tochter Sandra (Anneke Kim Sarnau) scheint aus ihrer wissenschaftlichen Sicht heraus auf eine schnelle Entscheidung zu plädieren. Die folgenden Ereignisse stellen die gesamte Familie auf eine so noch nie dagewesene Probe.

Kritik: Ohne die gewissermaßen einiges vorwegnehmenden Einstiegsszenen zu Beginn hätte man im Falle von BRING MICH NACH HAUSE, einem für das ZDF produzierten Fernsehfilm von Rowboat tatsächlich vor allem eines denken können: warum muss schon wieder eine von den typisch-seichten 08/15 TV-Dramödien des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks – wie sie mithilfe der guten alten GEZ-Gebühren nun einmal gerne produziert werden – derart groß angekündigt werden ? Eben solchen, bei denen wunderbar unspektakuläre (und damit erst Recht nachvollziehbare) Familien- und Beziehungsprobleme im Fokus stehen – aber am Ende doch noch alles gut wird ? Glücklicherweise handelt es sich in diesem Fall – und so gesehen – um eine der eher seltenen Ausnahmen. Denn: BRING MICH NACH HAUSE beschäftigt sich eben doch nicht mit einem alltäglichen, gefühlt zuhauf angesprochenen Thema – ganz im Gegenteil. Doch nicht nur das – auch als Gesamtpaket bewegt man sich mit dieser Produktion klar über dem gewohnten (Qualitäts-)Durchschnitt. Ob Hopfen und Malz damit – und im Hinblick auf die deutsche Filmproduktion – doch noch nicht verloren sind ist eine ganz andere Frage, fest steht aber: man kann und sollte einmal mehr eine Empfehlung für einen zunächst unscheinbaren TV-Film aussprechen.

Schließlich beinhaltet oder eher bewirkt die emotionale Kernfrage des Films, dass man sich auch als Zuschauer mit einigen eher unbequemen Fragen auseinandersetzen wird. Sein hauptsächliches Ziel, nämlich einen Denkanstoß zu geben – glücklicherweise ohne dass dabei ein moralischer Zeigefinger in die ein oder andere Richtung erhoben wird – verfehlt BRING MICH NACH HAUSE damit schon einmal nicht. Während vor allem das Schauspiel überzeugt, vornehmlich das der Titel-gebenden Darstellerin Hedi Kriegeskotte in einer aus handwerklicher Sicht doch eher ungewöhnlichen Rolle; sind es auch die beklemmend inszenierten zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen, aufgrund derer man als Zuschauer eigentlich gar nicht anders kann als sich in die unbequeme Szenerie hineinzuversetzen. Wenn, ja wenn man sich entsprechend treiben lässt – und nicht zu viele Fragen stellt.

Denn eine große Schwierigkeit, die hat BRING MICH NACH HAUSE dann doch nicht vollständig geschweige denn meisterhaft überwunden: eine nachvollziehbare Position als Werk irgendwo zwischen einer aufklärend-realitätsnahen Dokumentation und einem fiktionalen Spielfilm zu finden. Letztendlich, und das muss sich der Film gefallen lassen; ist er schließlich doch noch ein wenig von beidem geworden. Immerhin, daraus machen auch die Verantwortlichen keinen großen Hehl: zwar hätte durchaus ein realer Fall als Vorbild fungiert – jedoch hätte man vieles in Richtung einer möglichst unterhaltsamen Darstellung angepasst respektive hinzugefügt. So finden sich schlussendlich doch noch einige Szenen im Film, die weitaus weniger glaubhaft wirken als andere – wobei auch die (An-)Wandlungen einiger Charaktere einstweilen etwas zu rasant vonstatten gehen.

Und auch den Abspann hätte man mit einer noch wirkungsvolleren Lösung versehen müssen. Einer solchen, die die Zuschauer noch mehr für das Thema hätten sensibilisieren oder vielleicht auch zu eigenen Nachforschungen hätten antreiben können. Doch offenbar wollte man sich auf lediglich ein Resümee beschränken – Stichwort Patientenverfügung. Eine schlichte wissenschaftliche Quote bezüglich der Rehabilitationszahlen von Patienten mit einem vergleichbaren Schicksal hätte dagegen eine ganz andere, vielleicht noch intensivere Wirkung hinterlassen. Dennoch: die Auseinandersetzung mit dem Thema ist insgesamt gelungen. Über die Ausführung im Detail lässt sich dagegen – und wie so oft – streiten.


Bilder / Promofotos / Screenshots: © Hannes Hubach, ZDF

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„Eine teils überspitzte und nicht ohne Schwächen auskommende, insgesamt aber sehenswerte TV-Produktion.“

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Filmkritik: „Come Play“ (2020)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: Jacob Chase
Mit: Azhy Robertson, Gillian Jacobs, John Gallagher Jr. u.a.
Land: USA
Laufzeit: ca. 96 Minuten
FSK: ab 16 freigegeben
Genre: Horror / Thriller
Tags: Kinder | Monster | Dämon | Alptraum | Autismus

Der will doch nur spielen.

Inhalt: Als an einer besonderen Form des Autismus leidender Junge kann Oliver (Azhy Robertson) nicht anders, als ständig sein Smartphone zu benutzen. Schließlich hilft es ihm, halbwegs mit den ihn umgebenden Menschen kommunizieren zu können. Eines Tages stößt er dabei plötzlich ein seltsames E-Book mit einer Grusel-Geschichte, in der es um ein Monster namens Larry geht. Naturgemäß hat der empfindsame Oliver Angst – doch spätestens als auch seine Mutter die Präsenz von Larry wahrnehmen kann, erscheint diese Angst mehr als berechtigt…

Kritik: Mit COME PLAY erscheint ein weiterer Horrorfilm der heutzutage leider alles andere als seltenen Schnell-Schocker der Marke Bewohner eines Hauses treffen auf Geister, Dämonen oder andere gruselige Gestalten. Immerhin, und um zumindest einigen ärgerlichen Klischees sogleich den Wind aus den Segeln zu nehmen; setzt der von Jacob Chase geschriebene und verwirklichte Film auf zumindest eine Besonderheit: seinen Hauptdarsteller. Das war in seinem zuvor veröffentlichten Kurzfilm LARRY (auf dem COME PLAY basiert) noch anders. Sicher, auch die Besetzung von wichtigen Charakteren oder gar Hauptrollen mit Kindern ist in Horrorfilmen keine Seltenheit mehr –  zumal Aspekte wie eine gut umgesetzte kindliche Perspektive, eine fast automatisch umso stärker ausfallende Empathie sowie die teils gesteigerte Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Story („Kinder sind für manche Dinge empfänglicher“) dem Genre ohnehin in die Hände spielen. In COME PLAY aber erscheint der kindliche Hauptprotagonist zusätzlich schützenswert, da er an einer Form von Autismus leidet – und sich nicht mithilfe des (gesprochenen) Wortes verständigen kann. Tatsächlich ist es den Verantwortlichen auch gelungen, mit eben dieser Prämisse für ein klein wenig mehr Verzweiflung und Spannung zu sorgen als allgemein üblich – und auch die daraus resultierende Technik-Komponente (der Hauptprotagonist „spricht“ über eine Handy-App) wird gut in den Kontext der Dämonen-Story eingebunden.

Wenn man ganz ehrlich ist, war es das aber auch fast schon wieder gewesen – denn bis auf seinen Hauptprotagonisten (grandios gespielt von Jung-Darsteller Azhy Robertson) und eventuell einige der; man nenne sie Besonderheiten des Dämons hat COME PLAY dann doch überraschend wenig zu bieten. Zwar versucht man noch mit diversen Elementen für zusätzlichen Tiefgang zu sorgen, etwa der Darstellung der Freund- und Feindschaft unter den Kindern oder aber der quasi-Entstehungsgeschichte des Dämons selbst, inklusive aller enthaltenen und teils zu offensichtlichen Botschaften – doch schlägt dieser Versuch weitestgehend fehl. Hier fehlt COME PLAY schlicht das nötige Fingerspitzengefühl sowie der Anspruch, weit mehr als ein typischer Horror-Film zu sein – womit er sich klar hinter vergleichbaren, in vielerlei Hinsicht aber eben doch deutlich hochkarätigeren Filmen wie DER BABADOOK (Review) oder ICH SEH ICH SEH (Review) anstellen muss.

Gewissermaßen erscheint das aber auch irgendwie passig, schließlich schlagen die handwerklich-technischen Aspekte des Films in eine ganz ähnliche Kerbe. Das Set-Design von COME PLAY ist nett, und durch die Farbgebung wird eine angenehme Atmosphäre irgendwo zwischen Zeitlosigkeit und Retrospektive etabliert – während sich viele andere Dinge (wie etwa die Effekte, die CGI-lastige Darstellung des Dämons, der Soundtrack oder die Kameraführung) eher zum Vergessen eignen. Am ärgerlichsten ist und bleibt aber wohl der Tritt in das Fettnäpfchen der Marke es ergibt keinen Sinn, muss aber so geschehen weil es das Drehbuch so vorsieht. Denn wie sonst könnte man eine Szene wie die erklären, in der Oliver’s Mutter mit ihrem Sohn aus dem Haus fliehen will; ihm aber noch ausreichend Zeit gibt um erneut auf das Monster zu treffen ? Schlussendlich bleibt damit nur eine eingeschränkte Empfehlung übrig – und möglich.


Bilder / Promofotos / Screenshots: © Focus Features, Universal Pictures

 

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„Ein netter Horrorstreifen für Zwischendurch, nicht mehr und nicht weniger.“

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Filmkritik: „Evangelion 3.0 + 1.0: Thrice Upon A Time“ (2021)

Filmtyp: Animationsfilm
Basierend Auf: TV-Serie
Regie: Hideaki Anno
Mit: /
Land: Japan
Laufzeit: ca. 155 Minuten
FSK: ab 16 freigegeben
Genre: Sci-Fi / Drama / Action
Tags: Evangelion | Rebuild | EoE | Neon Genesis | Sequel | Finale

Bye Bye All Of Evangelion.

Endlich, ja endlich ist es soweit – nach unzähligen Jahren des Wartens ist der neue und letzte Teil der großen EVANGELION-Rebuild-Filmreihe endlich verfügbar. Und das in recht ungewohnter Form, muss man sagen – schließlich handelt es sich erstmals in der Geschichte des Franchise um ein reines VOD-Release, welches weltweit über die berühmt-berüchtigte Amazon Prime-Plattform angeboten wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: es ging so gesehen doch recht schnell mit dem internationalen Release (hier ist der Zeitraum zwischen der japanischen Uraufführung und dem internationalen Start gemeint), es sind direkt alle Sprachen sowie alle erdenklichen Untertitel verfügbar (und das in mehr als annehmbarer Qualität) – und das ewig lange Warten auf ein potentielles Disk-Release erübrigt sich. Zumindest theoretisch, denn: so schön diese neue Strategie auch ist, für Fans sollte ein zusätzlicher physischer Release weiterhin unabdingbar sein – in dieser Hinsicht sollte also unbedingt noch etwas folgen. Wenn nicht, wäre das zutiefst schade – zumal die hauseigene EVANGELION-Sammlung somit auf ewig unvollständig bliebe.

Sei es drum, an dieser Stelle sollten die Umstände und das Format des Release ohnehin eine eher untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr geht es um den so sehnsüchtig erwarteten Inhalt, wobei man bereits an dieser Stelle eine Warnung aussprechen muss: der folgende Text könnte ein wenig länger, komplexer; ja vielleicht auch etwas konfuser ausfallen als alle bisherigen, die bereits zum Thema verfasst wurden (diese findet man übrigens über das EVANGELION-TAG). Schließlich erlebt man es nur einmal, dass ein derart heiß geliebtes Franchise – welches nicht nur mich selbst über Jahrzehnte begleitet hat – endet, respektive ein hoffentlich würdiges Finale findet. Übrigens: wie final das Ganze tatsächlich ist, soll an dieser Stelle einmal ausgeklammert werden bzw. ebenfalls keine großartige Rolle spielen. Denn für mich – und ich glaube respektive hoffe auch für Hideaki Anno – ist das Kapitel EVANGELION mit dem neuen und letzten REBUILD-Teil abgeschlossen. Abgeschlossen im Sinne von neuem In- und Output, versteht sich – das Beschäftigen mit der Materie, die allgemeine Faszination und das ständige erneute Sichten des bekannten Materials werden mich selbstverständlich weiter begleiten, und zwar bis an mein Lebensende. We all know it: it’s the curse of the EVA’s.

Da haben sich noch einmal alle versammelt, um Abschied zu nehmen.

Doch wie soll(te) man – die eben geschriebene, so sicher nicht gewöhnliche Einleitung im Kopf – überhaupt an eine Anime- und Filmrezension wie diese herangehen ? Richtig, auf diese Frage gibt es keine wirkliche Antwort – weshalb das Ganze wohl keine klassische Filmkritik werden wird, sondern eher eine emotionale Auseinandersetzung. Wobei das auch adäquat erscheint, gewissermaßen – denn wer (der in einer ähnlichen Lage ist) könnte es sich schon vorstellen, eine herkömmliche und auf zwei bis drei Absätze heruntergebrochene Filmrezension zum finalen EVANGELION-Teil zu lesen; geschweige denn zu verfassen ? Das hätte das Franchise einfach – und gelinde gesagt – nicht verdient. Wobei im Grunde noch nicht einmal das gesamte Franchise gemeint ist, schließlich gab und gibt es noch so viel mehr zum Thema EVANGELION zu entdecken als die REBUILD-Filme. Doch wer den Blog kennt weiß, dass es auf diesem Blog vorrangig um die filmischen Erzeugnisse zum Thema gehen sollte und soll – und nicht etwa um den (ebenfalls großartigen) Manga oder die eher „internen“ Videospiele und Dinge, die ausschließlich in Japan veröffentlicht werden. Legen wir es also darauf an und versuchen es. Dabei gilt selbstverständlich der folgende Warnhinweis: ACHTUNG, SPOILER !

Zuallererst, und das bezieht sich noch nicht zwangsläufig auf die Qualität und den Eindruck des letzten Films; ist in Anbetracht eines Werkes wie THRICE UPON A TIME eines zu sagen: es fühlt sich verdammt gut an, ihn endlich sehen zu können respektive gesehen zu haben. Schließlich war die Wartezeit inklusive der zahlreichen Verschiebungen nach dem letztaktuellen dritten REBUILD-Film lang – und die, man nenne sie Gier nach dem die Geschichte hoffentlich abrundenden letzten Teil enorm groß. Insofern ist es schon einmal schwierig, den Film möglichst treffend (das heißt, unvoreingenommen und neutral) zu analysieren und zu bewerten. Anders gesagt: das Gefühl, Teil einer großen Saga gewesen zu sein – die nunmehr ihr Ende findet – steht über allem, und sorgt erst Recht dafür dass man Freud und Leid kaum noch voneinander unterscheiden kann. Was in diesem Falle helfen kann, liegt auf der Hand: der Versuch einer möglichst nüchternen Betrachtung des neuen EVANGELION-Films als Startpunkt der Rezension. Ähnlich wie schon bei der Analyse zu EVANGELION 3.33 wird diese Rezension also in drei aufeinander folgende, gedankliche Kategorien respektive Betrachtungsweisen aufgeteilt sein, und zwar die folgenden:

1. Es wird das bewertet, was man sehen kann

2. Es wird das bewertet, was man verstehen kann

3. Es wird das bewertet, was man fühlen kann.

Die Stimmung ist einstweilen desolat… doch es gibt auch Lichtblicke.

Beginnen wir also mit dem offensichtlichen, das heißt etwa dem allgemeinen Ersteindruck, dem Look und der Ausführung des Films. Tatsächlich ist es so, und das war seitens Hideaki Anno auch genau so beabsichtigt; dass es einen herben Stilbruch innerhalb der REBUILD-Reihe gab. Einen Stilbruch, der sich nicht nur auf inhaltliche Aspekte bezog – sondern auch auf etwas vermeintlich banales wie die optische Gestaltung. Man kann sich erinnern: bereits EVANGELION 3.33 sah deutlich anders aus als seine Vorgänger, wobei es dafür nicht von allen Seiten Lobes-Hymnen hagelte. Und das ist auch zu verstehen, denn: im direkten Vergleich sah EVANGELION 3.33 wesentlich kraftloser, weniger akzentuiert, man will nicht sagen verwaschener aus als alles, was man bisher von EVANGELION gewöhnt war. Und, als besonderen Zusatz mit einem Widerspruch in sich: er war einerseits simpler gestaltet, andererseits aber wesentlich technischer in der Ausführung (Beispiel: die 3D-Innenansichten der AAA-Wunder). Dieses Konzept findet sich nun auch in THRICE UPON A TIME wieder, was keine große Überraschung ist – wobei zumindest der zweite Teil des Films (man bezeichne ihn der Einfachheit halber als „Shinjis Ankunft im Dorf“) den Kreis zur ursprünglichen Gestaltung aus den ersten Teilen gewissermaßen schließt. Danach allerdings geht es wieder vermehrt in Richtung der in 3.33 eingeführten Optik, irgendwo zwischen herkömmlicher 2D-Animation und hochstilisiert-technischer CGI-Einschübe. Das hat einige Vorteile – wie etwa den, dass es fast unmöglich gewesen wäre die turbulenten Ereignisse überhaupt anders darzustellen – aber eben auch einen gravierenden Nachteil. Und der liegt schlicht darin begründet, dass gerade die Kämpfe (oder aber einfache Ansichten wie etwa der mächtigen AAA-Wunder) zu kleinen, nun; Wimmelbildchen avancieren können. Wimmelbildchen, auf denen man unglaublich viel sieht – aber eben nicht das große Ganze, und schon gar keine Details. Von der allgemeinen Übersicht braucht man diesbezüglich gar nicht erst zu sprechen – wo hier oben und unten ist oder wie viele und welche Objekte sich gerade tatsächlich auf dem Bildschirm befinden ist stellenweise nur zu erahnen. Diese, man kann sie durchaus als Probleme bezeichnen finden sich indes auch in Bezug auf die kleineren respektive stilleren Dinge wieder – etwa in Bezug auf die Charakterzeichnung. Die scheint ebenfalls um einiges minimalistischer ausgefallen zu sein als jemals zuvor; gerade was die Ansichten von Gesichtern sowie die Darstellung von Mimik und Gestik angeht. Dass das schade ist – gerade in Bezug auf die teils immensen Schritte, die der Film in Sachen Charakterentwicklung macht – versteht sich von selbst.

Immerhin – selbst über diese Dinge könnte man als Fan und Freund des Franchise noch halbwegs hinwegsehen. Erst Recht natürlich wenn man davon ausgeht, dass unter der Mitwirkung von Hideaki Anno nichts zufällig geschieht – und selbst banal erscheinende Stilmittel oder sogar als solche zu erkennende „Fehler“ ganz absichtlich so dargestellt werden. In THRICE UPON A TIME bleiben aber selbst unter dieser Prämisse noch immer zwei Dinge übrig, die sich selbst bei bestem Willen nicht rechtfertigen lassen – schlicht, da sie den Zuschauer zu sehr aus dem intensiven Film-Erlebnis herauszerren. Zum einen ist hier die leider schmerzlich misslungene Darstellung der, man nenne sie der Einfachheit halber großen Rei gemeint (die so ähnlich auch schon in END OF EVANGELION zu sehen war) – welche mithilfe neuester 3D-Technik verwirklicht wurde, und dabei einen etwas merkwürdig erscheinenden, pseudo-realistischen Anstrich erhalten hat. Das mag gut gemeint gewesen sein, im Ergebnis aber wirkt es einfach nur befremdlich. Das mittlerweile einige Jährchen ältere END OF EVANGELION hat es doch selbst vorgemacht, oder anders gesagt: hier wäre man mit der guten alten 2D-Technik wesentlich besser gefahren. Zum anderen sind die teils doch dezent überakzentuiert wirkenden Technik- Spiele gemeint, die wohl ein wenig vom fragwürdigen Charme der ursprünglichen Episoden 25 und 26 der TV-Serie einfangen sollten. In THRICE UPON A TIME kommen diese in Form von abrupten Schnitten, der Einstreuung bereits bekannter Szenen aus den anderen Rebuild-Teilen, der Erwähnung und gewissermaßen auch Erklärung des Titels NEON GENESIS EVANGELION selbst sowie einem völlig gewagten Wechsel hin zu einer farblosen Comic-Optik gegen Ende vor. Sicher, dies mögen nachvollziehbare stilistisch Entscheidungen gewesen sein, die in Bezug auf den Inhalt sogar Sinn ergeben (Stichwort Anti-Universum) – und doch hinterlassen sie aufgrund ihrer Darstellung einen eher faden Beigeschmack. Analog zu den gerade in den hektischen Kampfszenen nicht immer flüssig wirkenden Bildern entsteht so der Eindruck, als würden zumindest die optischen Aspekte dem großen Finale nicht wirklich gerecht werden – was einmal mehr die Frage aufwirft, warum der letzte Film überhaupt so lange entwickelt respektive vielleicht auch absichtlich zurückgehalten wurde.

Das Leben könnte so schön sein… es könnte.

Zu diesem Stichwort gilt es dann leider auch, noch etwas nicht ganz so gelungenes festzuhalten. Gemeint ist, und das ist wahrlich kaum zu glauben; nicht weniger als der Soundtrack des neuen Films. Unglaublich ist es deshalb, weil die Zusammenarbeit von Hideaki Anno und Shiro Sagisu seit jeher etwas ganz besonderes war – und stets zu ganz und gar besonderen Ergebnissen führte. Die Soundtracks der bisherigen REBUILD-Filme gehören jedenfalls – und da lässt sich eigentlich kaum drüber streiten – zum besten, was der Genre der Filmmusik jemals hervorgebracht hat, speziell natürlich im Bereich des Animationsfilms. Auch oder gerade, da einzelne Stücke eine durchaus verstörende Wirkung entfaltet haben – oder es Momente gab, in denen das Bild und der Ton zunächst nicht wirklich zu harmonieren schienen (etwa: die Musik bei Shinjis „ungewolltem“ Angriff auf Einheit 02). In THRICE UPON A TIME indes scheint dieses Phänomen noch weiter ad absurdum geführt worden zu sein, oder anders gesagt: nicht nur, dass die Musik an vielen Stellen unpassend erscheint; die Stücke sind einzeln und für sich genommen auch nichts allzu besonderes. Das mag oberflächlich klingen, doch im direkten Vergleich mit den bisherigen Soundtracks (mit dem von EVANGELION 2.22 an der unangefochtenen Spitze) kann man dies ruhig einmal so behaupten. Klar, es gibt Ausnahmen – aber eben nur zwei oder drei, und nicht mehr wie zuvor alle. Immerhin: die Soundeffekte sowie die Vertonung der Figuren sind wie immer gelungen, mehr noch: gemachte Fehler aus 3.33 (wie etwa die Neubesetzung der Sprechrolle des Kaworu) wurden behoben. Dies gilt natürlich nur für die deutsche Fassung, wobei dieser Fakt auch nicht in die Bewertung einfließt; verständlicherweise.

Kommen wir nun also zu dem, was man nicht direkt sehen oder hören; sondern stattdessen verstehen kann. Hier wäre natürlich – und vordergründig – der allgemeine Handlungsverlauf inklusive der Charakterentwicklungen zu nennen. Hier macht THRICE UPON A TIME dann auch tatsächlich einen riesengroßen Sprung, gerade im Vergleich mit 3.33 – und das nicht nur, da die Handlung eben nicht erneut von einer zeitlichen, für allerlei ratlose Gesichter sorgenden Unterbrechung (wir erinnern uns: zwischen dem Ende von 2.22 und dem Beginn von 3.33 sind 14 Jahre vergangen, ohne das jemals wirklich wieder auf diese Zeitspanne Bezug genommen wurde) gekennzeichnet ist. Nein, und so unangebracht diese Formulierung in Anbetracht des desolaten Zustands von Shinji zu Beginn des Films auch erscheinen mag: es ist tatsächlich wieder ordentlich Leben in das EVANGELION-Universum gekommen. Alle Charaktere (das heißt, wirklich alle) haben nachvollziehbare Sorgen, Nöte und Motivationen; das Hinarbeiten auf das Unausweichliche (einfach ausgedrückt: die Herbeiführen eines weiteren Impacts) wird stückweise präsentiert und kann Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Sehr schön ist auch, dass einige Konflikte auf eine glaubhafte Art und Weise gelöst werden – wie etwa der zwischen Shinji und Misato, der zwischen Shinji und Asuka, und ja natürlich: der zwischen Shinji und seinem Vater. Als kleine Highlights fungieren diesbezüglich dann aber doch zwei eher ungeahnte Dinge: zum einen die, man nenne sie Menschwerdung des aktuellen Rei-Klons, welche äußerst behutsam und emotional dargestellt wird – und zum anderen die Entwicklung der einst bei vielen Fans eher verhassten Figur von Mari. Diese hält wohl auch eine der größeren Überraschungen bereit – wenn, ja wenn man denn nach wie vor bereit ist; sich über den Kontext des Films hinaus mit der Materie respektive den Gedanken von Hideaki Anno zu beschäftigen. Denn, und das gilt auch für TRICE UPON A TIME, der erstmals wieder einiges erklärt und im Grunde genommen weniger neue Fragen aufwirft als zuvor: nicht alles ist offensichtlich oder direkt nachzuvollziehen, dem Zuschauer bleibt einiges selbst überlassen. Aber gerade das macht ja – unter anderem – auch die Faszination von EVANGELION aus.

Zugegeben: was genau auf dem Bildschirm passiert, ist nicht immer direkt zu erkennen und zu verstehen.

Bei einem Punkt hat man es diesbezüglich aber erneut leicht übertrieben, denn: so gewagt die Einstreuung des „echten“ Namens von Mari auch war, sie hat funktioniert. Bei einigen anderen Dingen, etwa dem höchst ominösen Schlüssel des Nebukadnezar, dem bisher noch nicht wirklich erwähnten Golgotha-Objekt oder dem wahren Wirrwarr an verschiedenen Lanzen inklusive der nötigen „Voraussetzungen“ für den ein oder anderen Impact (First, Second, Near Third, Third, Near Fourth, Fourth, Another Impact) stellt man sich unweigerlich die Frage, ob es derlei Elemente wirklich noch gebraucht hätte. Schließlich ist das EVA-Universum auch so schon groß (und eben auch: teils unverständlich) genug – hier hätte man vielleicht eher noch mehr auf Klärung denn auf das Einstreuen immer neuer Begriffe setzen sollen. Erst Recht natürlich wenn man bedenkt, dass Elemente wie der schwarze Mond (inklusive Lilith) oder die Kammer von Guf (wie selbige dargestellt wird ist noch immer ein waschechtes Highlight) auch so schon genug Faszinationskraft auslösen und Spielraum für Interpretationen zulassen. In THRICE UPON A TIME lenkt man nun aber eher wieder von zuvor bereits halbwegs zufriedenstellend interpretierten Dingen ab – und erlaubt eine weitere Sichtweise auf für das Franchise eigentliche essentielle, aber eben nie wirklich behandelte Dinge wie etwa die Existenz der sogenannten „FAR“ respektive Götterwesen. In wie weit diese mit den bisherigen Erkenntnissen harmonieren oder auch nicht, muss ein jeder für sich selbst herausfinden. Wie immer, könnte man sagen – aber da das Kapitel EVANGELION nun abgeschlossen scheint und wir als Zuschauer keine zufriedenstellenden Antworten mehr auf Dinge erwarten können die einer unbedingten Klärung bedürft hätten, wird es schwierig. Wie etwa in Bezug auf den kritischen 14-jährigen Zeitraum zwischen 2.22 und 3.33, zu dessen Beginn sich ein Ereignis wie das des Third Impacts ereignete (der am Ende von 2.22 war bekanntlich und lediglich der Near Third Impact) – von dem wir allerdings kaum wissen wie er ausgesehen haben könnte, oder was genau er bedeutet respektive nach sich gezogen hat. Unter anderem deshalb wäre es wohl auch zu verstehen, wenn einige nicht mehr ganz so tief in die Materie einsteigen wollen. Schließlich gibt es nun nicht mehr viel neues zu holen – alles, was jetzt noch folgt; dürften zahlreiche Interpretationsversuche seitens der Fangemeinschaft sein. Selbige haben zwar auch einen gewissen Reiz – aber sie können eben auch enorm anstrengend sein.

Die Szenen mit Gendo Ikari (dem „König der Lilim“) gehören eindeutig zu den Highlights des Films. Und überhaupt: wer braucht schon ein (physisches) Gehirn…

Das gilt übrigens und gewissermaßen auch für das eigentliche Ende des Films – das für Fans des Franchise ungewohnt, wie soll man es sagen; freudig daherkommen könnte. Eventuell auch etwas zu freudig – denn so groß der Wunsch, dass möglichst alle Charaktere halbwegs glücklich aus der Erzählung hervorgehen sollten auch ist; so merkwürdig ist es ein, man darf es ruhig sagen; episches Werk wie EVANGELION mit Szenen beendet zu wissen, die an einen beliebigen Highschool-Anime erinnern. Und wenn diese Highschool-Szenen dann auch noch einige seitens der Fangemeinschaft eher unerwünschte Paarungen zeigen (nicht unmögliche, aber eben doch solche, die auf eine eher merkwürdige Art verblüffend sind); dürfte die Enttäuschung quasi vorprogrammiert sein. Das mag etwas hart klingen, zumal der Sinn dahinter zu jedem Zeitpunkt nachzuvollziehen ist – aber dennoch. Ein wenig anders, ein wenig spannender, ein wenig offener hätte das Ende ruhig ausfallen können. Zumal es – trotz aller Schönheit und gefühlten Richtigkeit – einen unangenehmen Beigeschmack in der Hinsicht hinterlässt, dass es als allzu offensichtliches Statement von Hideaki Anno selbst fungiert, endlich mit der Materie abschließen zu können. Anders gesagt: das Ende relativiert gewissermaßen vieles, was bisher in EVANGELION passiert ist – und misst jenen Begebenheiten plötzlich enorm wenig Bedeutung zu. Ein Universum, in dem es EVANGELIONS gibt ist demnach vergleichbar mit der Hölle – und die normale, unsere Welt im Grunde genommen ein Paradies. Immerhin ist es beruhigend zu wissen, dass Hideaki Anno nun doch etwas optimistischere Töne anschlägt – der Film selbst aber verliert dadurch an (künstlerischem) Wert, und macht schlussendlich vieles von dem zunichte, was zuvor mühsam aufgebaut wurde. Das gilt auch für kleinere Dinge, die im Film eher als Randnotiz vorkommen – wie etwa der Wandlung Shinji’s. Nicht nur, dass sie viel zu schnell von statten geht – einzelne Elemente und Aussagen sind derart verquer und mit der Holzhammer-Methode in eine positive Richtung gedrückt, dass sie nur noch wenig vom einstigen Charme des Franchise transportieren können. Wie sonst ließe es sich erklären, dass Shinji im Gespräch mit Kaworu offenbart; er wolle nie wieder weinen – weil dies ohnehin niemandem hilft ? Derart unpassende, absolut fragwürdige Aussagen (sowohl in Bezug auf Shinji’s Charakter als natürlich auch die Realität) vermögen es eben auch, den Zuschauer aus der Immersion herauszureißen – und sich zu fragen, ob Hideaki Anno im Laufe der Jahre nicht doch ein wenig von seiner Weisheit eingebüßt hat.

Gänsehaut ist bei allen Dingen, die sich in irgendeiner Form mit den Impacts beschäftigen, vorprogrammiert.

Es ist eben doch alles ein bisschen schöner und vielleicht auch glattgebügelter in THRICE UPON A TIME. Jene, die den düsteren Unterton der TV-Serie geliebt haben, werden also vermutlich eher enttäuscht werden (auch wenn der neue EVANGELION-Film beileibe kein Feel-Good-Movie ist) – und jene, die END OF EVANGELION als das wahre Meisterwerk ansehen, werden wohl auch genau dabei bleiben. Denn um diesen Film noch zu übertreffen, dazu hat THRICE UPON A TIME zweifelsohne nicht das Zeug – leider. Da der Film aber dennoch weit mehr als ein typischer oder durchschnittlicher Anime ist; fällt es umso schwerer eine finale Wertungsentscheidung zu fällen. Wie so oft sollte dies nur gelingen, indem man den Film im Kontext betrachtet. Und der ist nun einmal das bisherige EVANGELION-Universum, das einiges an sehenswertem Material hervorgebracht hat. Über die ursprüngliche TV-Serie (ob in der originalen oder einer der überarbeiteten Fassungen spielt keine Rolle) oder aber END OF EVANGELION zu reden, sollte sich dabei erübrigen – da es sich relativ unbestritten um in Stein gemeißelte, schier unantastbare Meisterwerke der Anime-Geschichte handelt. Etwas spannender sollte es da schon innerhalb der Bewertungen der REBUILD-Filme zugehen, die auf diesem Blog wie folgt aussieht (über die Suche gelangt man bei Bedarf zu den jeweiligen Komplett-Reviews):

EVANGELION 1.11 – 10/10 Punkten

EVANGELION 2.22 – 10/10 Punkten

EVANGELION 3.33 – 8/10 Punkten

Und THRICE UPON A TIME ? Da er in vielen Belangen enorme Fortschritte gegenüber seinem direkten Vorgänger gemacht hat, sollte man durchaus auch eine leicht höhere Wertung anberaumen. Schließlich hat der Film auch seine guten Seiten – die in dieser Rezension möglicherweise etwas kurz gekommen sind. Der Grund dafür ist aber offensichtlich: in Anbetracht der Qualität des bisherigen Materials ist man als Zuschauer einfach, nun; verwöhnt – und hat gewisse Mindesterwartungen, in Anbetracht derer etwaige Fehler oder Unstimmigkeiten umso mehr auffallen. Für THRICE UPON  A TIME kann man dennoch – und reinen Gewissens – gut gemeinte 8.5/10 Punkten veranschlagen. Die höchst spannenden Kampfszenen, die Aktionen von Gendo, die Transformation von Askua (bzw. ihrem EVANGELION), die finale Mission von Misato – das alles sind Momente, in denen das gute alte EVANGELION-Gefühl wieder aufkeimt, und das nicht zu knapp. Die vielen kleineren Ungereimtheiten verhindern allerdings und schlussendlich, dass sich THRICE UPON A TIME in eine Reihe mit EVANGELION 2.22 stellen kann – dem in vielerlei Hinsicht besten Teil der REBUILD-Reihe. Sei es drum, es gilt, noch einiges aufzuholen. Denn eines steht fest, und das ist beileibe keine EVANGELION-Neuheit: einen Film wie diesen nur einmal anzuschauen, reicht einfach nicht aus.

Bilder / Promofotos / Screenshots: Khara / Amazon

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„Ein nicht perfekter, aber doch würdiger Abschluss der REBUILD-Reihe. Farewell, Evangelion.“

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Filmkritik: „Stone Cold – Eiskalt“ (2005)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Buchvorlage
Regie: Robert Harmon
Mit: Tom Selleck, Jane Adams, Reg Rogers u.a.
Land: USA
Laufzeit: ca. 87 Minuten
FSK: ab 12 freigegeben
Genre: Thriller
Tags: Einsam | Verschroben | Killer-Paar | Ermittler

Kalt wie ein Stein.

Inhalt: Als der Deputy Luther Simpson auf einer Nachtstreife eine brutal zugerichtete Leiche entdeckt, ist das Entsetzen in der Kleinstadt Paradise groß. Schließlich passiert hier sonst nicht gerade viel – abgesehen von den üblichen, alltäglichen Problemen. Was zu diesem Zeitpunkt allerdings noch niemand weiß ist, dass es nicht bei diesem einen Mord bleiben wird – und sich offenbar ein oder mehrere Serientäter in der Stadt eingenistet haben und hier ihr Unwesen treiben. Ein Unwesen, dass mehr und mehr zu einer persönlichen Angelegenheit für den bald darauf ermittelnden Polizeichef Jesse Stone (Tom Selleck) avanciert – der es einfach nicht zulassen kann und will, dass noch mehr unschuldige getötet werden. Dass er quasi nebenbei aber auch noch weitere Fälle, wie etwa eine schwere Vergewaltigung lösen muss; macht es ihm nicht gerade leichter. Und nicht zuletzt wären da auch noch die Probleme mit seiner Ex-Frau und seinem Alkohol-Konsum…

Kritik: STONE COLD – EISKALT ist der Pilotfilm der Erzählungen um den fiktiven Knallhart-Kriminalermittler Jesse Stone. Ursprünglich in Form von insgesamt 9 Romanen aus der Feder des US-Amerikanischen Autors Robert B. Parker veröffentlicht, begann man ab dem Jahre 2005 entsprechende Film-Adaptionen für ein noch breiteres Publikum zu realisieren. Mit der Entscheidung Tom Selleck für die Hauptrolle zu verpflichten hat man schon einmal nichts falsch gemacht – zumal ihm die Rolle als äußerlich so gut wie keine Miene verziehender Super-Cop mit einem umso liebenswerteren und sensibleren Innenleben wie auf den Leib geschneidert scheint. Im Zusammenspiel mit dem für den Pilotfilm sichtlich betriebenen Aufwand, der ebenfalls hervorragenden Besetzung der Nebenrollen sowie den stimmigen Sets und Drehorten hat man so schon einmal gute Voraussetzungen geschaffen, um den geneigten Krimi-Zuschauer nachhaltig an den Bildschirm zu fesseln.

Was bleibt ist allerdings die berechtigte Frage nach weiteren Besonderheiten, oder noch genauer den wirklichen Alleinstellungsmerkmalen des Pilot-Films – und damit gewissermaßen auch allen weiteren Teilen. Hier sieht es zugegebenermaßen schon nicht mehrt ganz so rosig aus, denn – und dafür muss man kein exzessiver Krimi-Konsument geschweige denn Krimi-Experte sein – hinsichtlich der Handlung und den Geschichten der Nebenfiguren riecht STONE COLD verdächtig nach der typischen Krimi-Einheitskost. Sich in irgendeiner Form als auffallend erweisende Experimente gibt es keine – und das weder im inhaltlichen noch im gestalterischen Sinne.

Um in den vollständigen Genuss des Films kommen zu können wäre es also vorteilhaft, wenn man sich generell mit eher einfach gestrickten Kriminal-Geschichten anfreunden kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Film wie STONE COLD generell zu vernachlässigen wäre – oder nicht dennoch einen gewissen Drive entwickeln kann. Immerhin schaffen es die Verantwortlichen letztendlich doch, den Spannungsbogen kontinuierlich aufrechtzuerhalten – und das trotz dessen, dass die Verhältnisse eigentlich schon recht früh klar sind und man weiß, worauf das Ganze hinauslaufen wird. Oder auch: hinauslaufen muss.

Anders gesagt: wer in Bezug auf den Plot selbst – also auch Dinge wie etwa die Darstellung der angestellten Ermittlungsarbeiten – nicht allzu hohe Erwartungen hegt, und einen Krimi vor allem daran misst wie stark der Hauptprotagonist in seiner Rolle aufgeht; der sollte einen Blick auf JESSE STONE riskieren.


Bilder / Promofotos / Screenshots: ZDF

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„Ein nicht herausragender, aber doch technisch und handwerklich solider Krimi mit einer interessanten Hauptfigur.“

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Filmkritik: „Wie Ich Lernte, Bei Mir Selbst Kind Zu Sein“ (2019)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Buchvorlage
Regie: Rupert Henning
Mit: Karl Markovics, Valentin Hagg, Sabine Timoteo u.a.
Land: Österreich
Laufzeit: ca. 140 Minuten
FSK: ab 12 freigegeben
Genre: Tragikomödie
Tags: Kind | Junge | Familie | Aufwachsen | Fantasie

Die Kraft der Fantasie, oder: Young Sheldon auf Abwegen.

Inhalt: Der zwölfjährige Paul Silberstein wächst als jüngster Spross einer altösterreichischen Zuckerbäckerdynastie im Österreich der späten 1950er Jahre auf. Leicht hat er es dabei beileibe nicht – von seinem strengen Vater wird er drangsaliert, von seiner Mutter und seinem älteren Bruder größtenteils ignoriert. Doch mit Pauls Weg in die Pubertät kommt auch ein Drang, sich den ihm aufgezwungenen Regeln zu widersetzen – was ihm leider nicht viel mehr bringt als einen Aufenthalt im hiesigen Jesuiten-Internat. Auch hier versucht man, den jungen Freigeist in seine Schranken zu weisen – mit bestenfalls mittelmäßigem Erfolg. Paul rebelliert, auf seine ganz eigene Art und Weise – und träumt davon, sich endlich von den ihm auferlegten Fesseln loszureißen. Den nötigen Willen, und sicher auch die nötige Intelligenz und vor allem Redegewandtheit hat er – doch was hilft all das, wenn er schlicht niemanden hat, der ihn unterstützt ?

Kritik: WIE ICH LERNTE, BEI MIR SELBST KIND ZU SEIN ist eine Coming Of Age-Tragikomödie aus der Feder von Uli Brée und Rupert Henning, die sich für ihr Drehbuch auf die gleichnamige, teils autobiografisch angehauchte Erzählung des österreichischen Autors und Multi-Talents André Heller (Link) gestützt haben. In der Zusammenschau ist dabei vor allem eines herausgekommen: ein recht ambitioniertes, ungewöhnliches, unterhaltsames – und vor allem nicht zu unterschätzendes Werk mit einem Hang zu Genre-Veteranen der Marke Jean-Pierre Jeunet (DIE KARTE MEINER TRÄUME).

Ein Vergleich wie dieser mag (zu) hoch gegriffen erscheinen. Vielleicht aber auch nicht – schließlich beweist WIE ICH LERNTE… schon in seinen ersten Minuten, dass in diesem Fall mit etwas gänzlich anderem gerechnet werden müsste als einer typischen Coming Of Age-Geschichte. Und selbst wenn man sich bemüht eben diesen Begriff anzuberaumen; so gilt er doch bestenfalls für die Ausgangssituation und das grobe Story-Konstrukt – und nicht etwa für die erfrischende Ausführung. Immerhin ist die ebenso lebhaft wie; man nenne es durchtrieben – und sorgt dafür, dass es WIE ICH LERNTE… relativ problemlos in die Riege jener beachtenswerter Genre-Filme aufsteigen kann, die das gewisse Etwas haben.

Denn, und das sollte man festhalten: trotz seiner teils enorm skurrilen Einschübe wird der Film niemals albern. Vielmehr behält er seinen ernsten Grundton mindestens unterschwellig bei – und sorgt so immer wieder für Situationen, bei denen man nicht weiß ob man lachen oder weinen soll. Gerade das macht den Film so anders, und auch: so ehrlich und emotional. Als weiterer Bonus fungiert hier selbstverständlich auch die konsequente Einhaltung der kindlichen Erzählperspektive, die für ein erhöhtes Maß an Empathie und das im schlimmsten Fall längst vergessene, mit dem Hauptcharakter geteilte kindliche Entdeckergefühl sorgt. Dass WIE ICH LERNTE… dabei auch noch ein Auge auf allerlei menschliche und zwischenmenschliche Probleme wirft, interessante Fragen rund um das Aufwachsen und den Selbstfindungsprozesses nicht nur bei Kindern stellt; und dabei generell als kleines Plädoyer für Andersartigkeit gewertet werden kann rundet das Gesamtpaket hervorragend ab.

Wenn man schon bei den Vorzügen des Films ist, sollte man eines gewiss nicht vergessen respektive außer Acht lassen: die schier unglaubliche Leistung der beteiligten Darsteller, die hier alle – und das trotz oder gerade wegen der teils recht eingeschränkten Möglichkeiten einer Charakterbildung – über sich hinausgewachsen sind. Allen voran gilt hier natürlich der Jungdarsteller Valentin Hagg zu nennen, der den Film fast schon allein stemmt – und das auf eine derart bravouröse und charmante Art und Weise, das einem das Herz aufgeht. Immerhin: als allzu leicht zu spielen dürfte man diese Rolle wohl eher nicht bezeichnen, vor allem was den Spagat zwischen den verschiedensten Emotionen mit vereinzelten Höhepunkten in Richtung so selten gesehener Ausbrüche (beispielhaft: eine etwas andere Tanzeinlage als Kompensationstheraphie) – doch selbst in Anbetracht dessen gibt es hier nicht zu meckern, im Gegenteil.

Glücklicherweise ist das auch auf die gesamten anderen handwerklich-technischen Aspekte des Films zu beziehen, der insgesamt betrachtet nicht nur gut aussieht – sondern auch über das besondere Fingerspitzengefühl hinsichtlich der markanten Kamerafahrten oder des Soundtrack einige zutiefst positive Eindrücke generieren kann. Wenn, ja wenn da nicht doch zwei Dinge wären, die den Filmgenuss etwas schmälern: die doch recht ausführliche Spieldauer von knapp über 2 Stunden, die man eventuell – und je nach Facón – ruhig noch etwas hätte einstampfen können; sowie das in Sachen Symbolik und Bildsprache doch noch etwas ausufernde, fast schon surreale Züge annehmende Grande Finale. Selbiges steht schließlich doch etwas konträr zu den vorangegangenen, deutlich geschickteren und subtileren Eindrücken.

Insgesamt betrachtet aber sollte man WIE ICH LERNTE… eine Chance geben – ob man sich nun als Freund von Coming Of Age-Geschichten bezeichnet oder nicht. Schließlich gilt, und das ist in diesem Fall tatsächlich so: es ist für (fast) jeden etwas dabei.

Bilder / Promofotos / Screenshots: Piffl Medien GmbH

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„Ein Film wie sein Hauptprotagonist: erfrischend anders.“

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Filmkritik: „The Reef – Schwimm Um Dein Leben“ (2010)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: Andrew Traucki
Mit: Adrienne Pickering, Zoe Naylor u.a.
Land: Australien
Laufzeit: ca. 87 Minuten
FSK: ab 12 freigegeben
Genre: Horror (80 %), Abenteuer (20 %)
Tags: Schiffbruch | Hai-Attacke | Offenes Meer | Überlebende | Seenot

Hier hat es sich ganz schnell ausgeREEFt.

Inhalt: Als Höhepunkt einer Australienreise gehen die Engländer Kate, Matt und Suzie an Bord einer kleinen Segelyacht, die von Luke und dessen Kumpel Warren geführt wird. Gemeinsam planen sie einen Trip zu den hiesigen Korallenriffs. Doch alsbald ereignet sich ein folgenschweres Unglück: die Yacht läuft auf ein Riff auf und liegt plötzlich kieloben auf dem Wasser. In Panik versuchen die Gekenterten zu retten, was zu retten ist. Doch als die Gruppe immer länger in der prallen Sonne sitzt wird klar, dass ihr so schnell niemand zur Hilfe eilen würde. So beschließen 4 der 5 Schiffbrüchigen ins Wasser zu gehen und zu einer nahen Insel zu schwimmen. Das Problem: diese ist längst nicht in Sicht, und im Gebiet wimmelt es nur so vor Haien.

Kritik: Sie sind eher selten, doch es gibt sie – Filme, die trotz oder gerade wegen ihres geringen Budgets etwas anders sind. Zumindest anders als vieles, was man sonst eher als alltäglichen Hollywood-Einheitsbrei beschreiben würde, frei nach dem Leitsatz: je rebellischer und nachhaltiger die letztendlich etablierte Wirkung, desto besser. Das Problem: da entsprechende Werke noch immer die klare Ausnahme bilden ist es kein Wunder, dass man automatisch mehr Negativbeispiele denn hervorzuhebende Filmperlen an der Hand hat. Negativbeispiele wie den australischen, 2010 veröffentlichten Katastrophen-Horrorverschnitt THE REEF – der noch einmal mit Nachdruck aufzeigt, dass nicht jedes mit einem kleinen Budget auskommendes Werk automatisch zu einem waschechten Indie-Geheimtipp avancieren kann. Erst Recht nicht, wenn man sich nur stumpf auf eine vergleichsweise unspektakuläre (oder eher: kaum für die übliche Länge eines Spielfilms geeignete) Geschichte respektive Grundidee stützt – und darüber hinaus nichts, aber auch wirklich gar nichts unternimmt; um dem Projekt so etwas wie eine Seele einzuverleiben.

Sicher, die Frage wie man einen Film wie diesen wirklich hätte spannend gestalten können ist gar nicht so leicht zu beantworten. Fest steht nur, dass die von Regisseur Andrew Traucki angebotene Lösung eine denkbar ungünstige ist – und eine, die in Sachen Originalität und Ideenreichtum bestenfalls mit ebenso kruden wie oberflächlichen Vergleichsfilmen a’la OPEN WATER mithalten kann. Warum, liegt auf der Hand: sich bei einem Szenario wie diesem dringend anbietende Aspekte wie eine nachhaltige Charakterentwicklung oder handfeste Survival-Elemente kommen erst gar vor, beziehungsweise stehen nicht im Fokus. Ein Fokus, der in diesem Fall von einem anderen, eher fischartigen Gesellen blockiert wird – der zum einen für eine Kategorisierung des Films im Horror-Genre sorgt; und zum anderen zum wahrlich einzigen Element avanciert, welches den Film irgendwie vorantreibt. Und das ist – zweifelsohne – eine eher müßige Angelegenheit.

Doch THE REEF wäre nicht THE REEF, wenn er überdies nicht noch ein Portiönchen mehr anzubieten hätte – und selbst sein einzig nennenswertes inhaltliches Element (den Überlebenskampf zwischen einer Gruppe Menschen und einem Hai) – zu einer kleinen, selbstverständlich absolut unfreiwilligen Comedy-Veranstaltung avancieren ließe. Das Verhalten der Hauptprotagonisten, aber eben auch des Hais sprechen hier Bände – ein Grinsen kann man sich ob der hanebüchenen Darstellung des Überlebenskampfes einerseits, und der merkwürdigen Strategie des Hais jedenfalls kaum verkneifen. Spätestens mit dem furiosen Finale wird es dann wohl für jeden soweit sein – ein (erneut unfreiwilliger) Lacher ist hier fast schon garantiert. Kurzum: wenn man sich schon derart auf einen Hai als eigentlichen Drive des Films versteift, sollte man eventuell auch ein wenig recherchieren und zumindest für eine halbwegs glaubhafte Darstellung sorgen. Oder eben nicht – doch der Grusel-Faktor wird dadurch nicht gesteigert, eher im Gegenteil.

Zugutehalten kann man dem Film eigentlich – und fairerweise – nur eines. Und das ist die doch halbwegs solide Kamera-Arbeit von Daniel Ardillery, die ein ansprechendes Spiel mit Perspektiven und eine angenehme Mischung aus ruhigeren und von Wellen bewegten Bildern offeriert. Darüber hinaus – und damit sind auch Dinge wie der Soundtrack oder die Leistung der beteiligten Darsteller gemeint – eignet sich THE REEF eher zum Vergessen. Eben so, wie man es auch mit der auf der gekenterten Yacht zurückgelassenen Figur des Warren gehandhabt hat – die im Film nie wieder gezeigt wurde.

Bilder / Promofotos / Screenshots: Atlas Film / Koch Media

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„Wenn er nicht so quälend lang, einfallslos und unblutig wäre; würde THE REEF fast schon als trashige Horrorkomödie durchgehen. So aber ist das Ergebnis einfach nur peinlich.“

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Filmkritik: „Inside Man“ (2006)

Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: Spike Lee
Mit: Denzel Washington, Clive Owen, Jonnie Brown u.a.
Land: USA
Laufzeit: ca. 130 Minuten
FSK: ab 12 freigegeben
Genre: Thriller (50 %), Krimi(50 %)
Tags: Bankraub | Heist | Überfall | Geiselnahme | Raub | Erpressung

Diebstahl ist (nicht) gleich Diebstahl.

Inhalt: Der gewiefte Dalton Russell (Clive Owen) ist mit seinem Team gerade dabei, den Coup des Jahres zu landen. Als Maler getarnt haben sie es geschafft, die Kontrolle über eine große New Yorker Bank zu erlangen – inklusive aller sich im Gebäude befindenden Personen. Dabei scheinen sie recht gut vorbereitet zu sein, denn schon kurz nach der Erstürmung der Bank verpassen sie den Geiseln eine einheitliche Kleidung – sodass es den von Detective Keith Frazier (Denzel Washington) angeführten Ermittlern zusehends schwerfällt, die Lage zu überblicken. Ebenfalls zu einem Problem wird, dass der Gründer und Inhaber der Bank (Christopher Plummer) eine gewisse Madaline White (Jodie Foster) beauftragt, sich um den Inhalt eines seiner Schließfächer zu kümmern – ausgerechnet jetzt sollte man wohl sagen, und selbst wenn das bedeutet mit den Bankräubern kooperieren zu müssen. Was also ist im besagten Schließfach, das offenbar auf keiner Inventarliste auftaucht; und vor allem: wissen auch die Bankräuber davon ?

Kritik: INSIDE MAN ist ein von Spike Lee inszenierter Thriller, der sich für seine Darstellung eines etwas anderen Bankraubs auf eine Vorlage des US-Amerikanischen Drehbuchautors Russell Gerwitz stützt. Etwas anders ist vielleicht auch, dass der Film dabei tatsächlich mit einigen neuen respektive für das Genre der sogenannten Heist-Movies erfrischenden Ideen auftrumpfen kann – und die Darsteller alles daran setzen, ihre Charaktere glaubhaft zu verkörpern. Im Zusammenspiel mit dem nicht allzu schnell zu durchschauenden Plan der Bankräuber vermag es der Film so durchaus, einen gewissen Reiz oder auch Sog zu entwickeln – einen Reiz, dem man sich als Zuschauer kaum entziehen kann. Und einen, der die eigentlich eher hoch angesetzten 130 Minuten Spielzeit grundsätzlich zu alles anderem als einer langatmigen Angelegenheit avancieren lässt. Dafür, dass der Film zu keinem Zeitpunkt auf eine nennenswerte geschweige denn übertriebene Gewaltdarstellung oder größere Action-Szenen setzt; ist das durchaus ein Verdienst – wobei vor allem Fans von vergleichsweise ausführlichen Dialogen, Machtspielchen und einer wohldosierten Priese Humor auf ihre Kosten kommen sollten.

Und dennoch: im Falle von INSIDE MAN von einer qualitativen Ausnahme oder gar einem waschechten Genre-Highlight zu sprechen, trifft es dann auch nicht ganz genau. Der Grund dafür ist schnell gefunden: interessanterweise scheinen so gut wie jedem Vorteil des Films immer auch Elemente gegenübergestellt zu sein, die vorschnelle Begeisterungsstürme schnell wieder im Keim ersticken können. Beispielsweise halten die eingangs erwähnten frischen Ideen nicht immer das, was sie versprechen – wobei man erst gar nicht in Versuchung kommen sollte, viele der hier eingebrachten Aspekte logisch zu hinterfragen. Aber auch das prinzipiell engagierte Schauspiel steht in INSIDE MAN teilweise auf der Kippe. Allein die Darbietung von Denzel Washington bewegt sich hart im Rande des Overactings, vor allem hinsichtlich des für die Dramaturgie des Films doch etwas zu abgebrühten und an Filme wie SHAFT erinnernden Porträts. Und überhaupt: dass sein Charakter derart im Fokus steht, und selbst potentiell interessantere Figuren wie die des von Clive Owen gespielten Anführers der Bankräuber zu quasi-Nebenfiguren macht; mag im Sinne des Erfinders sein – wirkt sich hier aber ebenfalls nicht unbedingt positiv aus.

Auch die einerseits durch die vergleichsweise netten Bankräuber, andererseits – und vor allem – durch die Nazi-Thematik aufkommenden moralischen Fragen fallen im hier anberaumten Zusammenhang etwas zu abstrakt aus, als dass der Zuschauer wirklich etwas mit ihnen anfangen könnte. Immerhin verzichtet Spike Lee auf ein allzu gewöhnliches gut gegen böse-Gefälle – und überlässt es weitestgehend dem Zuschauer, etwaige (dann: sich zumeist im Graustufenbereich befindende) Urteile zu fällen. Das gilt dagegen weniger für die angedeuteten Strippenzieher im Hintergrund, wie etwa die von Juliane Moore gespielte Madeleine White – die eher wie eine (absichtlich überakzentuierte) Karikatur denn wie ein menschliches Wesen wirkt. Letztendlich bleiben INSIDE MAN damit vor allem zwei Dinge: eine super-solide Inszenierung, die ihr Augenmerk eher auf die Darsteller und Kulissen als auf etwaige Special Effects legt; sowie ein überraschend hoher Unterhaltungswert. Der tröstet über vieles hinweg – aber eben auch nicht über alles.

Bilder / Promofotos / Screenshots: United International Pictures (UIP)

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„Ein nicht vor Schwächen gefeites, aber doch recht solide gemachtes und vor allem spannendes Porträt eines etwas anderen Bankraubs.“

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Filmkritik: „Wir“ (2019)

Originaltitel: Us
Filmtyp: Spielfilm
Basierend Auf: Originaldrehbuch
Regie: Jordan Peele
Mit: Lupita Nyong’o, Winston Duke, Elisabeth Moss u.a.
Land: USA
Laufzeit: ca. 116 Minuten
FSK: ab 16 freigegeben
Genre: Horror (50 %), Thriller (50 %)
Tags: Familie | Doppelgänger | Untergrund | Überleben | Rache

Wer soll’s richten, wenn nicht wir ?

Inhalt: Eigentlich wollen Adelaide (Lupita Nyong’o) und ihr Mann Gabe (Winston Duke) nur ein paar entspannte Tage an der sonnigen nordkalifornischen Küste verbringen. So reisen sie gemeinsam mit ihren Kindern Zora (Shahadi Wright Joseph) und Jason (Evan Alex) in das alte Ferienhaus, in dem sie schon zuvor gastierten. Dieses Mal jedoch scheint sich etwas ganz und gar unheilvolles in die Idylle des Urlaubs zu drängen – wobei unklar ist, in wie weit ein düsteres Ereignis aus Adelaide’s Vergangenheit damit zusammenhängt. Sicher ist nur, dass urplötzlich eine Familie vor dem Haus der Urlauber steht – deren Mitglieder offenbar sie selbst sind. Im Gegensatz zu den jeweiligen Originalen aber scheinen diese düsteren Gestalten nur wenig gutes im Schilde zu führen – und beginnen daraufhin relativ direkt, die Familie anzugreifen. Es bleiben eigentlich nur zwei Fragen – wer genau sie sind, und vor allem was sie wollen…

Kritik: So schnell kann es gehen. Nachdem er zunächst noch ausschließlich als Darsteller auftrat – und das auch noch in eher mittelprächtigen Produktionen – steht ein gewisser Jordan Peele mittlerweile vor einer großen Karriere als Drehbuchautor und Regisseur. Hauptsächlich dafür verantwortlich dafür ist sein 2017’er Spielfilmdebüt GET OUT – der nicht nur viele gute Kritiken einheimste, sondern auch für reichlich Diskussionsstoff unter geneigten Cineasten sorgte. In eine ganz ähnliche Kerbe schlägt respektive soll nun auch WIR schlagen – eine interessante Mixtur aus Elementen des (Psycho-)Thrillers und Horrorfilms, in dem eine Familie den wohl schlimmsten Alptraum ihres bisherigen Lebens durchlebt.

Tatsächlich, und das fällt schon relativ früh beziehungsweise analog zum doch recht rasanten Auftakt des Films auf – gelingt Peele dabei auch dieses Mal die Zeichnung einer vergleichsweise dichten und wenn man so will hypnotischen  Atmosphäre. Und das liegt nicht allein an der technisch schier perfekten Inszenierung, die unter anderem von der gelungenen Kamera-Arbeit von Mike Gioulakis profitiert – sondern in erster Linie daran, dass man als Zuschauer auf mindestens zweierlei Art und Weise vom Gezeigten gefesselt wird. Schließlich fühlt sich WIR eben nicht nur wie ein standardisierter Horrorfilm an, der seine Stärke aus der Darstellung vieler möglichst beklemmender Situationen – und oftmals leider auch der Aneinanderreihung von altbackenen Klischees – generiert. Nein – denn ausnahmsweise steckt hinter dem Film auch endlich einmal wieder eine gute oder zumindest doch recht erfrischende Idee. Eine, die Peele zwar nicht gänzlich (und bis zum bitteren Ende) durchdacht zu haben scheint – aber doch eine, die den Zuschauer bei der Stange hält und bis kurz vor das Ende relativ stimmig begleitet.

Vereinfacht könnte man auch sagen, dass der Film stets die richtigen Fragen stellt, und das auch noch zu den richtigen Zeitpunkten – und man als Zuschauer weitaus deutlicher als in vielen anderen Werken angehalten ist, das Geheimnis hinter der ominösen Doppelgänger-Familie zu ergründen. Hier spielt nicht nur die Idee selbst mit hinein, sondern auch das Timing – das dank des offensichtlich vorhandenen Fingerspitzengefühls des Regisseurs gar nicht erst viel Raum zur Kritik zulässt. Das gilt im übrigen auch für das gezeichnete Bild der Familie (in darstellerischer, aber auch charakterlich-empathischer Hinsicht), die eingeworfenen Rückblenden, die letztendlich doch über vielem stehende (und dabei gar nicht mal so unoffensichtliche) Gesellschaftskritik oder die hie und da mutig in die Szenerie gesetzte (Situations-)Komik.

Das einzige, worüber man sich bei WIR wirklich streiten könnte; ist demnach die Ausführung der Grundidee – die sich insgesamt betrachtet dann doch etwas zu unschlüssig anfühlt. Man kennt es: es ist nicht unbedingt das schwierigste eine gute Idee zu haben und diese zu Papier zu bringen – sondern vor allem auch, wie man diese dem Zuschauer näher bringt oder im besten Fall sogar glaubhaft vermittelt. Und das ohne die eventuell vorhandene Magie, das vielleicht einzigartige Mysterium gänzlich zu entschlüsseln. Genau das gelingt WIR – der immerhin viele der aufgestellten Theorien erklärt beziehungsweise anhand von, man nenne es Easter-Eggs untermauert – leider nicht gänzlich oder in einem solchen Maße, dass man von einem tadellosen oder gar kultverdächtigen Werk sprechen könnte.

Dennoch schadet es kaum, sich Jordan Peele’s Interpretationen eines zuvor noch nicht auf diese Art und Weise dargestellten Doppellebens einmal zu Gemüte zu führen – und den Film, vielleicht ja auch ohne explizite Inhalts-Nachfragen zu stellen – einfach mal auf sich wirken zu lassen.

Bilder / Promofotos / Screenshots: Universal

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„Ein durchaus fesselnder und vor allem gut gemachter Horrortrip der etwas anderen Sorte.“

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