Psychopharmaka / Antidepressiva – SSRI’s

Allgemeine Informationen

Die Abkürzung SSRI steht für sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (englisch Serotonin Reuptake Inhibitors, SRI), die eine Klasse von bestimmten Antidepressiva bilden. Der Wirkungsmechanismus dieser Substanzklasse besteht darin, dass die Serotonintransporter vom Typ 5-HT im zentralen Nervensystem des Gehirns blockiert werden (nicht alle, aber je nach Dosis zu einem hohen Prozentsatz), was die Wiederaufnahme des Botenstoffs tendenziell verhindert und somit die Konzentration und Verfügbarkeit von Serotonin im synaptischen Spalt erhöht (mehr dazu im Abschnitt „Wirkungsweise“).

Generell gesprochen handelt es sich hierbei um relativ neue Medikamente (mit FLUVOXAMIN als erstem zugelassenen Kandidaten im Jahre 1984), die aus den vorangegangenen trizyklischen Antidepressiva (die seit den 50er Jahren existieren) entwickelt wurden.

Der theoretische Vorteil: SSRI’s wirken im Gegensazu zu trizyklischen Antidepressiva selektiv, das heißt speziell (und meist einzig, mit wenigen Ausnahmen) an bestimmten, ausgewählten Serotonin-Transportern. So kann die Wirkung spezifiziert werden, wobei gleichzeitig bestimmte Nebenwirkungen älterer Präparate vermieden werden. Der theoretische Nachteil: SSRI’s wirken leider nicht bei allen Menschen, und schon gar nicht gleich. Auch hinsichtlich der generellen Effektivität gegenüber trizyklischen Antidepressiva konnte keine nennenswerte Verbesserung festgestellt werden – wohl aber hinsichtlich der Verträglichkeit. Es kann also durchaus sein, dass man letztendlich doch auf eines der älteren Präparate ausweichen muss, da diese eine breit gefächertere Wirkung (aber eben auch mehr Nebenwirkungen) aufweisen.

In der Hypothese – und aufgrund verschiedener Forschungsergebnisse – wird angenommen, dass die künstliche Erhöhung der Konzentration von Serotonin in der Gewebeflüssigkeit des Gehirns mit einer Abschwächung der vorliegenden depressiven Symptome einhergeht. Wie genau das funktioniert, warum manche Patienten nicht auf eine solche Therapie ansprechen oder warum sich unter Umständen irgendwann eine Toleranz entwickeln kann ist nicht vollständig geklärt – fest steht nur, dass SSRI’s helfen können. Vorausgesetzt, es handelt sich um eine mindestens mittelschwere depressive Erkrankung – während die Medikation gerade bei leichteren Erkrankungsformen in seiner Wirkung lediglich mit dem Effekt eines Placebos gleichzusetzen ist. Das ist zwar nicht nichts, aber eben auch nicht viel.

Indikationen

Medikamente vom Typ SSRI werden heute hauptsächlich bei psychischen Problemen verschrieben, und zwar gegen nahezu alle erdenklichen respektive möglichen Formen einer Depression (alle Schweregrade, alle Ursachen, chronisch oder rezidivierend). Zusätzliche oder andere Indikationen können Zwangserkrankungen, Angst- & Panikstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, eine soziale Phobie oder Agoraphobie sein. Auch gegen bestimmte neuropathische Schmerzen können SSRI’s nach neuestem Wissensstand eingesetzt werden. Zwar können Sie die Ursache für bestimmte Schmerzen nicht beseitigen, wohl aber die Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Schmerzen herabregeln.

Dosis & Anwendung

SSRI’s werden meist morgens (und eher selten im späteren Tagesverlauf oder gar vor dem Zubettgehen) eingenommen, da nahezu alle Vertreter eine relativ direkte und grundsätzliche stimmungs- und antriebssteigernde Wirkung entfalten. Dabei spielt es keine große Rolle, ob es sich um Präparate mit einer direkten Wirkstoff-Freisetzung oder aber retardierte Formen (mit um bis zu mehrere Stunden verzögerten, kontrollierten und meist besser verträglichen Freisetzungen) handelt. Das Ziel ist das Erreichen eines bestimmten Serum- bzw. Plasma-Spiegels, der nur mit einer kontinuierlichen Einnahme erreicht und Aufrechterhalten werden kann. Einzelne Dosen sollten also nicht ausgelassen oder vergessen werden. Die Dosierungen von SSRI’s bewegen sich grundsätzlich in einem niedrigen Bereich, wobei Dosissteigerungen oder -verringerungen mit Vorsicht zu genießen sind. Generell gilt es, die niedrigst erforderliche Dosis zu finden, die eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit bei gleichzeitig wenigen Nebenwirkungen ermöglicht.

Wichtig: beinahe jedes SSRI hat einen bestimmten „Schwellenpunkt“ in Abhängigkeit von der Dosis. Dies bedeutet, dass bei einer bestimmten Dosis bereits relativ viele Rezeptoren von den Wirkstoffen der Präparate belegt sind – und weitere Dosis-Steigerungen nicht mehr viel bewirken können. Ein Beispiel: bei einer Steigerung von 20mg Paroxetin auf 40mg Paroxetin verdoppelt sich die Anzahl der belegten Rezeptoren nicht. Sie steigt zwar – aber nur noch marginal. Mit weiteren Erhöhungen flacht die Kurve noch weiter ab, oder anders gesagt: irgendwann passiert fast gar nichts mehr (zumindest nicht im vorgesehenen Sinne), bzw. überwiegen klar die Nebenwirkungen – was man beachten sollte, plant man die angegebene Höchstdosis (bei Paroxetin etwa werden 50-60mg angegeben) zu überschreiten, was dementsprechend wenig empfehlenswert ist.

Ein Vorteil der SSRI’s ist, dass sie meist unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden können. Natürlich gestaltet sich der Vorgang generell (und wie bei fast allen Medikamenten) angenehmer, wenn man bereits etwas im Magen hat – doch eine große Rolle spielt es nicht.

Wirkungsweise

Nebenwirkungen

Fast alle verfügbaren SSRI’s haben ganz ähnliche Nebenwirkungen, die diesbezüglichen Profile unterscheiden sich meist nur marginal. Dennoch kann es sich lohnen, bei entsprechenden Voraussetzungen (also beispielsweise Vorerkrankungen) genauer hinzusehen. Grundsätzlich leben müssen wird man wohl aber mit einigen der häufigsten Nebenwirkungen von SSRI’s; oder besser gesagt der nicht abwegigen Möglichkeit eine dieser Nebenwirkungen zu erleiden. Zu diesen zählen vor allem Libido-Verlust respektive sexuelle Funktionsstörungen, Veränderungen im Appetit, Gewichtszunahme, Schlafprobleme, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit sowie generelle Magen- und Darmprobleme (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung). Einige der Nebenwirkungen treten vor allem zu Beginn der Behandlung auf, sind also eine ganz normale Reaktion des Körpers – und verschwinden mit der Zeit wieder. Andere dagegen bleiben oftmals über die gesamte Therapiedauer bestehen, und manchmal sogar darüber hinaus – was vor allem bei den sexuellen Funktionsstörungen diskutiert wird. An dieser Stelle wirklich alle einzelnen Nebenwirkungen aufzuführen erscheint indes wenig zielführend, denn dafür gibt es schließlich die entsprechenden Packungsbeilagen. Wobei allerdings auch hier gilt: diese sollte man mit einer zusätzlichen Vorsicht genießen. Nebenwirkungen müssen schließlich nicht bei jedem auftreten – speziell nicht, wenn es sich um die angegebenen seltenen (die lesen sich meist wenig erfreulich) oder die von einer unbekannten Häufigkeit (in der Theorie sollte nach diesen nicht mehr viel kommen) handelt.

Kontraindikationen, Wechselwirkungen & Interaktionen

Auch hier hilft ein genauerer Blick in den jeweiligen Beipackzettel, wobei man zusammenfassend vor allem eines sagen kann: Medikamente vom Typ SSRI sollten nicht mit anderen Mitteln kombiniert werden, die ebenfalls einen ähnlichen Einfluss auf das Serotoninsystem haben (also die Serotoninproduktion steigern, die Wiederaufnahme hemmen oder den Abbau verlangsamen oder verhindern). Vor allem sind hier die sogenannten MAO-Hemmer gemeint, bei deren gleichzeitiger Anwendung ein sogenanntes, potentiell lebensbedrohliches Serotonin-Symdrom entstehen kann. Aber auch von anderen, vergleichsweise leichten Präparaten wird abgeraten – wie etwa dem rein pflanzlichen Johanniskraut.

Bezüglich etwaiger Kontraindikationen gilt es vornehmlich, zwei Organe zu beachten: die Leber und das Herz. Traten oder treten hier Probleme auf, so gilt es die Einnahme von SSRI’s zu überdenken. Ebenfalls erwähnenswert und zu überprüfen sind vorangegangene Anfallsleiden (Epilepsie), Nierenprobleme sowie spezielle Augenerkrankungen (erhöhter Augeninnendruck). Andere Erkrankungen oder körperliche Voraussetzungen sollten nach derzeitigem Wissenstand keine SSRI-Theraphie verhindern.

Eine ganz große Frage die immer wieder aufkommt, ist jedoch die nach den möglichen Wechselwirkungen von SSRI’s mit Alkohol. Hier gilt es interessanterweise, eine relative Entwarnung zu geben – auch wenn der Genuss oder gar übermäßige Konsum von Alkohol im Rahmen psychatrischer Erkrankungen nicht ohne Grund generell kontraindiziert ist. In Bezug auf direkte Wechselwirkungen oder gar eine entstehende Toxitizität aber scheint es keine besonderen Auffälligkeiten zu geben. Der Grund hierfür ist die unterschiedliche Wirkungsweise von SSRI’s und Alkohol. Zwar gibt es Überschneidungen, aber nur in einem insgesamt zu vernachlässigenden Sinne. Das sieht schon ganz anders aus, wenn man sich einige der trizyklischen Antidepressiva anschaut, deren sedierende Wirkung sich mit der ebenfalls sedierenden Wirkung von Alkohol potenzieren kann. Doch dazu an anderer Stelle mehr.

Überdosierung

Generell sind Medikamente vom Typ SSRI so konzipiert, dass eine Überdosierung im herkömmlichen Sinne keine nennenswerten negativen Auswirkungen hat – gesetzt dem Fall, es handelt sich um eine einmalige und nicht außerordentliche Überdosierung. Man kann demnach von einem diesbezüglich relativ sicheren Medikamententyp ausgehen. Bei enormen Miussbrauch des Medikaments oder einer absichtlich sehr hohen ÜBerdosierung ist allerdings mit teils schwerwiegenden Folgen zu rechnen, die in einem Krankenhaus behandelt werden müssen und unter Umständen zum Tod führen können. Wie so oft gilt: die Dosis macht das Gift.

In Deutschland verfügbare Präparate

  • Citalopram
  • Escitalopram
  • Fluoxetin
  • Fluvoxamin
  • Paroxetin
  • Sertralin

Persönliche Erfahrungen

Fragen

Kann ein SSRI seine Wirkung verlieren ?

Dies ist – auch wenn nur wenige Ärzte davon wissen und sprechen – durchaus möglich, wenn bestimmte Vorraussetzungen erfüllt werden. Denkbar wäre etwa eine Verschlimmerung respektive eine stärkere Rückkehr von Symptomen der eigentlichen Grunderkrankung, oder; was seltener aber dennoch nicht unabwegig ist, eine Toleranzentwicklung. Im Rahmen der speziellen Wirkweise von SSRI ist dieser nur schwer mit Dosiserhöhungen beizukommen, erst Recht wenn man sich ohnehin bereits nah an der Maximaldosis bewegt hat. Wenn das Medikament also irgendwann nicht mehr wirkt – sich aber nichts wesentlich an der Situation des Patienten oder seiner Erkrankung geändert hat – hilft oft nur ein alternativer Plan. Oder aber, und im schlimmsten Fall: eine plötzliche Odyssee hinsichtlich des Ausprobierens neuer, alternativer Medikamente mit einem ähnlichen oder völlig differenten Wirkmechanismus.

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