Filmkritik: „Die Kinder Des Monsieur Mathieu“ (2003)

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Originaltitel: Les Choristes
Regie: Christophe Barratier
Mit: Gérard Jugnot, François Berléand, Jacques Perrin u.a.
Land: Frankreich, Deutschland, Schweiz
Laufzeit: ca. 96 Minuten
FSK: ab 6 freigegeben
Genre: Tragik-Komödie
Tags: Lehrer | Chor | Schule | Heim | Autoritär | Alternativ | Singen

Ein kleines aber feines Epos über die Kraft der Musik.

Kurzinhalt: Als der Dirigent Pierre Morhange (Jacques Perrin) eines Tages einen Blick in das alte Tagebuch seines damaligen Lehrers Clément Mathieu (Gérard Jugnot) wirft, findet er sich plötzlich inmitten seiner Kindheit wieder. Damals besuchte er ein Internat für schwer erziehbare Kinder, in dem er keine leichte Zeit hatte – bis ein gewisser Clément Mathieu als neues Mitglied des Lehrkörpers auf den Plan trat. Denn der setzte im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Rachin (François Berléand) keineswegs auf streng autoritäre Erziehungsmethoden oder gar angewandte Gewalt – sondern auf Verständnis und die Kraft der Musik. Diese komponierte er wann immer es ging selbst, bis er eines Tages ein ungewöhnliches Experiment wagte: er rief einen Kinderchor ins Leben, der die Kinder bestärken und für ein wenig Abwechslung im tristen Internats-Alltag sorgen sollte. Im Zuge dessen traten jedoch schnell einige Schwierigkeiten auf – etwa in Form des hiesigen Internatsleiters, der die Methoden von Mathieu alles andere als gutheißen konnte. Aber auch nur, bis es eines Tages doch noch zu einer größeren Aufführung kommen sollte – die für reichlich Aufsehen sorgte. Kurzerhand verkündete der unverbesserliche Internatsleiter, dass es sich dabei allein um seine Idee gehandelt hatte – Mathieu ließ ihn zum Wohle der Kinder gewähren, und freute sich dass er und die Kinder es so weit gebracht hatten. Aber als es bald darauf zu einem schwerwiegenden Zwischenfall im Internat kam, stand das gut gemeinte Chor-Projekt jedoch erneut auf wackeligen Beinen…

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Kritik: Achtung, Spoiler ! DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU ist eine französische Tragik-Komödie aus der Feder von Christophe Barratier. Der Film, der im Original schlicht LES CHROSTES heißt und 2003 erstmals in den französischen Kinos aufgeführt wurde; befasst sich in erster Linie mit einem: der Musik. Grundsätzlich geht es darum, wie ein idealistischer Lehrer als Neuzugang in einem autoritären Heim für schwer erziehbare und Waisenkinder auf eher unkonventionelle Methoden setzt – und es gerade so vermag, sich das Vertrauen und den Respekt der Kinder zu verdienen. So zeitlos und vielleicht auch magisch die Geschichte anmutet, so weit geht sie in der Historie zurück: das Drehbuch stützt sich auf ein frühes Werk des französischen Drehbuchautors Georges Chaperot, dessen Film DER NACHTIGALLENKÄFIG eine ganz ähnliche Geschichte erzählte wie nun auch DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU. Das allerdings mit mindestens einem markanten Unterschied: der besagte Film stammt aus dem Jahr 1945, ist also in jeder Hinsicht ein echter Klassiker.

Doch auch das filmische Revival aus dem Jahr 2003 kann sich sehen lassen – sicher auch, da Regisseur Christophe Barratier offenbar nicht nur die Vorlage lieb gewonnen; sondern als Kind selbst ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie die im Film vorgestellten Protagonisten. Die Folge ist ein zutiefst anrührendes, größtenteils absolut authentisch wirkendes Werk; das nicht nur der Musik einen cineastischen Tribut zollt – sondern auch einem außergewöhnlichen (fiktiven) Charakter, der sich trotz aller Widrigkeiten und Vorurteile durchsetzt. Nicht, weil er auf Erfolg aus ist oder andere möglicherweise zwielichtige Ziele verfolgt – sondern schlicht deshalb, um als einfacher Mensch und Pädagoge die Welt ein kleines Stückchen zu verbessern. Diese wenn man so will rebellische, aber durch und durch gerecht erscheinende Haltung ist es, die den Film auszeichnet – und auch dem Zuschauer ein gewisses Gefühl von Optimismus vermittelt. Schließlich ist ein mutiges Aufbegehren gegen etablierte, aber offensichtlich marode Systeme und Normen wichtig – wie sonst sollten überhaupt etwaige vielleicht längst überfällige Denkprozesse in der Gesellschaft angestoßen werden ? Im Gegensatz zu anderen, man nenne sie Pionieren der Gesellschaft ist die Geschichte des MONSIEUR MATHIEU eher eine kleine; und keine die revolutionäre Folgen nach sich zieht – was aber dennoch nichts an der enormen Wirkungskraft des Films ändert.

Ein Film, der dabei weit mehr beinhaltet als jene wichtigen gesellschaftskritischen Ansätze – denn die sind grundsätzlich nur das Sahnehäubchen auf einer einfachen, aber eben doch zutiefst bewegenden Geschichte. So wird der Zuschauer ein gutes Gefühl für die Situation bekommen, in der die Kinder stecken. Anders gesagt: weder werden etwaige kritische Umstände verharmlost, noch werden die potentielle Missstände in einer schier unerträglichen Härte ausgeführt – was sich durchaus angeboten und die aufrüttelnde Wirkung des Films eventuell noch zusätzlich unterstützt hätte. Immerhin: ein einzelnes Charakter-Schicksal dient hier stellvertretend für eine zusätzliche Brisanz. Doch in erster Linie sollte und soll DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU ein herzerwärmender Film sein, der kaum auf eine spezifische Zielgruppe zugeschnitten ist. Gerade deshalb gibt es auch keine Hindernisse, wenn es um den Einstieg in den Film-eigenen Kosmos oder die Verständnis-Ebene gibt – die Geschichte wird universell erzählt, und könnte genauso gut an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit stattfinden. Vielleicht ja sogar heute – was zu weiteren wichtigen Denkansätzen führt. Vor allem aber ist die hier dargebotene Musik, die für eine zusätzliche Wirkungsebene sorgt die weit über den reinen Unterhaltungs-Faktor hinausgeht. Sei es in den Momenten in denen die Kinder tatsächlich singen (was ihnen im weiteren Verlauf des Films immer besser gelingt) oder jene in denen nur die instrumentale Filmmusik von Bruno Coulais gespielt wird – die Zahl der potentielle Gänsehaut-Momente ist beachtlich.

Hinzu kommt, dass der Film auch sonst keinerlei Schwächen offenbart –  auch nicht hinsichtlich der Technik oder des investierten Handwerks. Allein die Kameraführung und die Gestaltung der einzelnen Szenen wirkt absolut stimmig, die Schauplätze und Kostüme werden atmosphärisch in Szene gesetzt; die Leistung der beteiligten Darsteller ist enorm. Allen voran kann hier Gérard Jugnot in der Hauptrolle überzeugen – sein Spiel wirkt nicht nur hinreichend authentisch, sondern auch in einem besonderen (und eher seltenen) Maße warmherzig. Doch sicher sollte man auch die Leistungen der zahlreichen Kinder-Darsteller würdigen – von denen sich besonders einer, nämlich Jean-Baptiste Maunier (der hier den Wunderknaben mit der schönsten Stimme verkörpert) in die Herzen der Zuschauer spielt. Und nicht nur das – das 1990 geborene Talent legte nach seinem Auftritt in diesem Film eine recht steile Karriere vor, die noch lange nicht vorüber sein sollte.

Fazit: Sicher, ganz nüchtern betrachtet ist DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU eine vergleichsweise einfach gestrickte und sehr anrührend erzählte Geschichte mit einer Art Weltvebesserungsmoral, die in der Realität sicher schwer umzusetzen war und ist. Hier hilft es wiederum enorm, den Film als das zu betrachten was er im Kern darstellt – eine Art modernes Märchen rund um das Thema der Musik. Und eben kein moralinsaures Gesellschaftsdrama – auch wenn er diesbezügliche Inhalte ebenfalls anschneidet und mit einer gewissen Lockerheit in den großen Erzähl-Topf wirft. Betrachtet man den Film von eben jener dezent fantastisch angehauchten Warte heraus, und übernimmt es als Zuschauer selbst gewisse Parallelen zu zeichnen – dann kann man eigentlich nichts mehr falsch machen. In erster Linie soll DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU schließlich nicht den Kopf des Zuschauers beschäftigen – sondern das Herz.

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„Ein Gesellschaftsdrama trifft auf ein modernes Märchen, in dem Optimismus und Traurigkeit nah beieinander liegen – nicht zuletzt aufgrund des einmaligen Soundtracks.“

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